Cansu Özdemir: Ein offenes Gespräch über Teilhabe und Inklusion

Gespräch mit Cansu Özdemir, Die LINKE

Premiere in den Räumen von „Wir mischen uns ein!“: Mit der Politikerin Cansu Özdemir von der LINKEN war am 14. Januar 2020 erstmals ein Gast aus der Hamburger Bürgerschaft (dem Parlament der Hansestadt Hamburg) bei Tamara Werth, Kai Dheuten und Kira Jakobsen zu Gast. Die drei machen mit bei „Wir mischen uns ein!“ und diskutieren aktuelle Fragen zu Inklusion und Teilhabe mit Politiker*innen verschiedener Fraktionen.

Die Partei „Die LINKE“

Frau Özdemir erklärte zu Beginn des Gesprächs zuerst einmal, was die LINKE ist, was ihre Ideen sind und was sie genau machen. So erklärte sie zum Beispiel, dass die Hamburger LINKE sich dafür einsetzt, dass das Rathaus barrierefrei wird. Daran arbeitet sie schon seit 2012 in einem Arbeitskreis.

Die LINKE hat einen Arbeitskreis zum Thema Inklusion, um das Thema Behindertenpolitik auch voranzutreiben und ernst zu nehmen innerhalb der Partei. Alles, was im Wahlprogramm zum Thema Inklusion oder Behindertenpolitik steht, wurde im Arbeitskreis Inklusion bei der LINKEN selbst erarbeitet. Der Arbeitskreis ist dabei selbst inklusiv: es machen ganz viele Menschen mit Behinderung dort mit, die das Wahlprogramm sozusagen mitgestaltet haben.

Nach dem allgemeinen Auftakt  das Gespräch sind es aber auch ganz konkrete Fragen, die die Mitglieder von „Wir mischen uns ein!“beschäftigen. Die erste Frage kommt von Kai Dheuten.

Urlaub für alle 

Kai Deuten berichtet, dass er im November 2019 mit seinen Kolleg*innen bei den Inklusionstagen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Berlin gewesen ist, um dort an verschiedenen Foren teilzunehmen. In einem Forum ging es um das Thema „Barrierefreier Tourismus und Reisen für Menschen mit Behinderung“. Herr Deuten hat sich nach dem Forum die Frage gestellt, wie so ein Urlaub finanziert werden könne, da ein Mensch, der in einer Werkstatt arbeitet sehr wenig Geld verdient. Ein Urlaub aber, bei dem man Assistenz braucht, ist sehr viel teurer als jeder andere Urlaub, den ein Mensch bucht, der keine Assistenz braucht.

Die Antworten, die Kai Dehnen bislang zu diesem Thema bekommen hat, haben ihn sehr enttäuscht: Man müsse sparen, hieß es – oder: man solle Angehörige fragen, ob sie einem etwas schenken, damit man in den Urlaub fahren könne. Herr Dheuten fragte nun die LINKE, was sie davon hält.
Frau Özdemir antwortete, dass die LINKE sich für einen Mindestlohn von 14 Euro pro Stunde einsetzen würde. Dieser solle auch für Menschen gelten, die in einer Werkstatt arbeiten.Wenn jemand dann für 14 Euro in der Stunde dort arbeite, dann soll er sich damit auch seine Reise bezahlen können. Weiterhin sei die LINKE der Auffassung, dass alle Assistenz, die darüber hinaus gebraucht werde, von der Gemeinschaft (vom Staat) bezahlt werden müsse. Das heißt: Wenn jemand eine Reise mache, für die er eine Assistenz mitnehmen müsse, dann solle der Reisende natürlich seine Reisekosten selber bezahlen wie alle anderen Menschen auch. Aber für die Assistenz bekäme er Unterstützung von der Gemeinschaft (vom Staat), sodass er für seine Reise nicht noch zusätzlich seine Assistenz zahlen müsse.

Menschen mit Behinderungen im Ehrenamt 

Die zweite Frage ging um das Thema „Ehrenamt – Wie kann es möglich gemacht werden, dass Menschen mit Behinderung ein Ehrenamt ausüben können?“

Viele Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf brauchen Assistenz, wenn sie sich ehrenamtlich für die Gesellschaft engagieren wollten. Diese werde benötigt, um zum Beispiel den Weg zu finden oder um sich vor Ort bewegen zu können. Diese Assistenz werde aber nicht vom Integrationsamt oder vom Sozialamt bezahlt.

Das Team von „Wir machen uns ein!“ wollte nun wissen: Welche Möglichkeiten dort die LINKE sehe, den Menschen mit Behinderungen zu helfen. Gansu Özdemir antwortete darauf, dass sie in dem neuen Gesetz in der Bürgerschaft den Partizipationsfonds eingeführt hätten. Der Partizipationsfonds sei so etwas wie ein Geldbetrag, der verteilt werde, um den Menschen eine Teilhabe an allen möglichen Veranstaltungen zu ermöglichen.

Aus diesem Partizipationsfonds könnte die Assistenz bezahlt werden, wenn man ein Ehrenamt ausführen möchte. Dies sei auch so ausdrücklich bestimmt worden. Das fanden die Teilnehmer*innen aus der Projektgruppe sehr interessant.

Filme für Menschen mit Behinderungen zugänglich machen 

Tamara Werth aus der Projektgruppe berichtet, dass sie sich darüber ärgere, dass es so wenig Filme im Fernsehen gebe, die für Menschen mit Behinderung zugänglich seien. Weder gebe es Filme in Leichter Sprache noch in Gebärdensprache noch mit Untertitelung – nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Kino. Gerade im Kino hätten Menschen mit Behinderungen kaum Möglichkeiten. Darum spreche sich die Projektgruppe dafür aus, dass Filmförderung oder kulturelle Förderung allgemein immer an die Barrierefreiheit gekoppelt werden sollte. Das würde bedeuten, dass wenn etwas barrierefrei sei, es auch gefördert werden könne. Wenn es nicht barrierefrei ist, gäbe es auch keine Film- oder Theaterförderung mehr.
Diesen Gedanken fand die LINKE sehr interessant und nimmt ihn gerne in ihre Ideen und Vorstellungen auf.

Teilhabe am kulturellen Leben

Wie könne es geschafft werden, dass Menschen mit Behinderung am kulturellen Leben teilhaben – so lautetet die letzte große Frage des Gesprächs. Dabei gehe es nicht nur darum, dass Menschen it Behinderungen Kunst und Kultur konsumieren könnten, (das heißt ins Theater gehen oder ins Konzert gehen, um sich das anzusehen oder anzuhören), es besteht auch der Wunsch, dass Menschen mit Behinderung selber kulturell als Schauspieler*in, Künstler*in oder Musiker*in aktiv werden könnten.

Hier sprach sich die LINKE dafür aus, dass es einen Verteiler geben müsse, in dem bekannt gegeben werde, wo überhaupt so etwas alles möglich ist und wo überhaupt zurzeit so ein kulturelles Angebot für Menschen mit Behinderung vorhanden ist.
Zusätzlich spricht sich Cansu Özdemir dafür aus, dass Möglichkeiten ausgebaut werden müssten, dass selbstverständlich auch Menschen mit Behinderung die Chance haben sollen, künstlerisch tätig zu sein.

Danke!

Nach diesen drei Fragen und einem längeren Austausch miteinander bedankte sich die Projekt-Gruppe bei Cansu Özdemir und Anna Rinne (Mitarbeiterin von Cansu Özdemir), dass sie sich so viel Zeit genommen hätten und verabschiedeten ihre Gäste.

Fotos: Anna Rinne